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Lebensstationen 

des Schriftstellers Thomas Mann

Schaut man auf die Orte und Häuser, mit denen Thomas Mann und die Familie Mann in enger Verbindung stehen, dann wird die Ausweitung des Horizontes, der unaufhörliche Weg der Manns zu einer Weltfamilie, zu global agierenden Schriftstellern und Zeitzeugen im 20. Jahrhundert, sichtbar. Drei Phasen lassen sich dabei unterscheiden: eine deutsche, eine europäische und eine außereuropäische.

von links: Heinrich Mann, Thomas Mann, Carla Mann, Julia Mann, Ganzaufnahme.

Am prägenden Anfang steht Lübeck. Hier wächst Thomas Mann in einem Kaufmannshaus auf, das zum Patriziat der Stadt gezählt wird.

Mit seinem Debütroman Buddenbrooks gelingt dem 25-Jährigen ein Porträt seiner Heimatstadt, das weit über Deutschland hinaus berühmt und in 40 Sprachen übersetzt wird. Zu diesem Zeitpunkt hat er Lübeck bereits verlassen, die Heimatstadt aber bleibt ihm lebenslang wichtig. Thomas Mann schreibt 1905 zu Recht: „[...] ich habe die Augen von hunderttausend Menschen auf das alte Giebelhaus in der Mengstraße gelenkt“. Er meint damit das Buddenbrookhaus, Wohnsitz seiner Großmutter und Schauplatz seines Romanerstlings. Der Lübeck-Roman Buddenbrooks bringt seinem Autor Weltruhm und 1929 sogar den Nobelpreis ein. 

Aussenansicht im Winter.
Haus der Familie Mann in München (Poschingerstr. 1) Aussenansicht im Winter. Ca. 1920er. ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt

Mit dem Ersten Weltkrieg und der nachfolgenden Weimarer Republik weitet sich die nationale Perspektive zu einer europäischen. Thomas Mann steht mit seiner Familie im Zentrum des weltanschaulichen, politischen und künstlerischen Meinungskampfes. Dabei werden durchaus unterschiedliche Positionen erkennbar. Sein Bruder Heinrich Mann etwa ist von Beginn an ein entschiedener Gegner des Krieges. Er tritt schon früh für eine europäische Perspektive ein, die in seiner aktiven Rolle bei der deutsch-französischen Versöhnung kulminiert. Thomas Manns älteste Kinder, Klaus und Erika, folgen dem Onkel in den 1920er Jahren weitgehend in dieser Sicht der Dinge. Komplexer verhält es sich bei Thomas Mann. Er hält während des Ersten Weltkriegs an deutschnationalen und konservativen Positionen fest, erkennt dann aber seinen Irrtum und wird im Zuge der Weimarer Republik zum Verfechter der Demokratie. Dabei nimmt auch er immer stärker die Problemlagen ganz Europas in den Blick. Es ist der Zauberberg, der ein europäisches Gesellschaftspanorama in einem mondänen Sanatorium in Davos zeichnet, der hier für diese künstlerische Sicht auf diese Themen steht. In den 1920er Jahren reist Thomas Mann durch das inner- und außereuropäische Ausland, hält zahlreiche Vorträge und Lesungen. Für ihre Familie erwerben die Manns 1930 auf der Kurischen Nehrung in Nida ein Sommerhaus mit Blick auf das Haff, das ihnen drei wunderbare Sommerfrischen beschert. Es beherbergt heute das Thomas-Mann-Kulturzentrum.

Aussenansicht.
Auf der Rückseite handschriftlich notiert: "Reproduktion nach der einzigen, mir verbliebenen Photographie Ihrer Sommerhäuser. Leider hat der Photograph ungeschickterweise den auf der Aufnahme sichtbaren Teil der Düne abgeschnitten. Rei
Sommerhaus in Nidden. Aussenansicht. Vor 1946. ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt
Im Sand sitzend von links: Katia Mann, Elisabeth Mann, Thomas Mann, Michael Mann, unbekannter Junge, Alex (Sohn des Mädchens), auf der Bank im Hintergrund Monika Mann.
Aufenthalt in Nidden. Beim Ferienhaus. 1930. ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf: Fritz Krauskopf

Mit dem Jahr 1933 folgt der Verlust der Heimat, der Gang ins Exil. Das Ehepaar Mann wird im schweizerischen Arosa von der Machtübernahme der Nationalsozialisten überrascht und reist nicht nach München zurück. Nach einigen Monaten in Sanary-sur-Mer in Südfrankreich, wo die Familie wieder zusammenkommt, leben Thomas und Katia und die jüngeren Kinder ab Herbst 1933 bis Ende 1938 in Küsnacht bei Zürich. Die „liebe Züristadt“ und die Schweiz wachsen Thomas Mann in dieser Zeit ans Herz.

Aussenansicht, Ausschnitt mit Garten.
Haus der Familie Mann in Pacific Palisades. Zwischen 1942 und 1952. ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt

Bruder Heinrich, der es noch knapp aus dem besetzten Europa hinausgeschafft hat, wohnt in der Nähe. In den USA führt Thomas Mann neben seinem literarischen Werk – hier entstehen u.a. die letzten Bände des Joseph oder Doktor Faustus – auch sein politisches Engagement entschlossen fort. Mit Vortragsreisen in den USA setzt er sich für den Kampf gegen Hitler ein; die BBC sendet 55 Reden gegen Nazi-Deutschland an Deutsche Hörer!. Inzwischen ist Thomas Mann auch amerikanischer Staatsbürger geworden.

Aufgrund der Änderung des politischen Klimas nach Präsident Roosevelts Tod 1945 und wegen des hysterischen Antikommunismus der McCarthy-Ära verlässt das Ehepaar Mann 1952 die USA und kehrt nach Europa zurück. Bewusst entscheidet man sich nicht für einen der beiden deutschen Staaten, sondern für die Schweiz. Wiederum vor den Toren Zürichs, diesmal in Erlenbach und Kilchberg, findet Thomas Mann mit seiner Familie eine letzte Bleibe. Katia Mann wird nach seinem Tod bis 1980 in Kilchberg leben; Sohn Golo danach gar bis 1994. 

Ein Blick auf den Friedhof in Kilchberg, auf dem Thomas, Frau Katia und alle Kinder bis auf den schon 1949 verstorbenen Klaus begraben sind, zeigt: Diese Familie, die weltweit für Deutschland steht, war zugleich auch eine internationale geworden. Betrachtet man die Grabsteine, dann liegen dort amerikanische, britische, kanadische und Schweizer Staatsbürger*innen. 

Das Exil reicht also bis zu Manns Tod 1955 und durch die weltweit verstreuten Nachfahren sogar darüber hinaus. Es ist schon durch die Wohnorte und Staatbürgerschaften mit einer endgültigen Wendung ins Internationale verbunden. Zugleich sind die Manns immer eine “deutsche” Familie geblieben. Gerade bei Thomas Mann ist der Wechsel der Staatsbürgerschaften durch die Zeitläufte erzwungen gewesen. Er ist nie etwas anderes als ein deutscher Schriftsteller gewesen. Die berühmten Worte, die er 1938 bei der Ankunft in New York spricht: “Wo ich bin, ist Deutschland”, stehen emblematisch dafür. Sein Begriff des Deutschen koppelt sich von der Nation ab und beruht auf dem Verständnis seiner kulturellen Prägung.

Gerade das Zusammenspiel aus lebenslanger Zugehörigkeit zu und Leiden an Deutschland einerseits und einem doch überzeugten Kosmopolitismus andererseits macht die Geschichte Thomas Manns und seiner Familie so faszinierend und teilweise auch abgründig. Bruder Heinrich schreibt in seinen in den USA verfassten Memoiren: „Als mein Bruder nach den Vereinigten Staaten übersiedelt war, erklärte er schlicht und recht: ‚Wo ich bin, ist die deutsche Kultur.’ Wirklich erfassen wir erst hier die Worte ganz: ‚Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen!’ […] Unsere Kultur – und jede – hat die Nation unserer Geburt als Ausgang und Vorwand, damit wir vollwertige Europäer werden können. Ohne Geburtsstätte kein Weltbürgertum. Kein Eindringen in andre Sprachen, Literaturen gar, ohne dass gleichzeitig unser angeborenes Idiom, gedruckt und mündlich, von uns erlebt worden ist bis zur Verzweiflung, bis zur Seligkeit.“

Thomas Mann (Ganzaufnahme stehend) zeigt Katia Mann (sitzend) Dokument. Vor dem Hauseingang 740 Amalfi Drive, mit Hund Niko.
Thomas Mann und Katia Mann vor dem Hauseingang in Pacifc Palisades. 1941. ETH-Bibliothek Zürich, Thomas-Mann-Archiv, Fotograf Unbekannt